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Strategische Potenziale von OSS
Lange Zeit war Open Source Software (OSS) nur in TechnikerInnenkreisen bekannt; der Einsatz von OSS wurde in den EDV-Abteilungen beschlossen. Doch seitdem OSS als ernstzunehmende Alternative für viele Einsatzgebiete in Unternehmen gilt, beschäftigt sich auch die Managementetage mit dem Thema.Aus dem Blickwinkel des Managements wird vor allem die langfristige Wirtschaftlichkeit betrachtet; OSS-Lösungen sind häufig Infrastrukturkomponenten, wie z. B. Betriebssysteme, Datenbanken, sowie Office- und Businessanwendungen, deren Nutzung immer eine längerfristige Festlegung bedeuten.
Unabhängigkeit
Für den Schutz der Investitionen spielt die Unabhängigkeit bei OSS eine große Rolle. AnwenderInnen können mit OSS wirkungsvoll einem „Lock-In“ entgegenwirken. Als Lock-In-Effekt wird der Umstand bezeichnet, bei dem durch hohe Wechselkosten eine Abhängigkeit von Produkten geschaffen wird. Der offene Quellcode und die starke Orientierung an offene Standards von OSS verhindern, dass SoftwareherstellerInnen durch Coderegulierung oder durch Etablierung eigener "Standards" einen Lock-in-Effekt erzeugen.Bei Linux sind diese Vorteile besonders deutlich ausgeprägt: Da Linux auf Standardhardware läuft, sind Unternehmen nicht auf proprietäre Hardware angewiesen und können zwischen vielen Angeboten eines wettbewerbsintensiven Marktes wählen. Der zweite Aspekt betrifft die freie Wahl von DienstleisterInnen. Die verschiedenen Linux-Distributionen werden von diversen AnbieterInnen unterstützt. Unter diesen können Unternehmen die Fachleute frei wählen, welche sie bei der Umsetzung begleiten.
Standardkonformität
Abgesehen davon bringt OSS den Unternehmen mehr Unabhängigkeit durch seine Standardkonformität. Diese Ausrichtung fördert die Interoperabilität eingesetzter Komponenten (auch proprietärer) und sichert deren Nutzbarkeit für die Zukunft. OSS gewährt das einerseits durch eine weite, plattformunabhängige Verbreitung und andererseits durch die starke Orientierung an Standards. Unternehmen, die Apache, MySQL oder Mozilla als Basis für ihre Lösung wählen, sind unabhängiger in der Zusammenstellung weiterer Softwarekomponenten. In OSS sind vom Prinzip her alle Schnittstellen dokumentiert, weil der Source Code offen ist. Zwar ist Standardkonformität auch bei proprietärer Software zu finden, bei OSS ist sie aber besonders deutlich ausgeprägt.Verfügbarkeit des Quellcodes
Als Versicherung gilt bei OSS die Verfügbarkeit des Quellcodes. Sie wird dann von essenzieller Bedeutung, wenn HerstellerInnen die Weiterentwicklung der Software abbrechen und/oder den Support einstellen. Unternehmen können dann andere IT-Anbieter/innen damit beauftragen, oder selbst die Software weiterentwickeln und pflegen. OSS-Lizenzmodelle erlauben grundsätzlich allen, die Software eigenständig weiter zu entwickeln und den eigenen Anforderungen anzupassen (bzw. anpassen zu lassen); Unternehmen sind somit bei der Gestaltung des Funktionsumfangs der Software nicht von HerstellerInnen abhängig.Verfügbarkeit von Anwendungen
Die Verfügbarkeit von Anwendungen ist ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl von IT-Infrastrukturkomponenten, die tagtäglich im Unternehmenseinsatz für diverse Aufgaben benötigt werden. Gerade im Server-Bereich hat sich Linux positiv entwickelt, weil Server-Anwendungen in großen Mengen von Unix-Systemen portiert wurden und zahlreiche HerstellerInnen von proprietären Business-Anwendungen, wie z. B. SAP oder Oracle, Linux unterstützen. Dasselbe kann auch im Bereich Datenbanken von MySQL behauptet werden.Auf dem Desktop-Bereich nimmt die Bedeutung von Betriebssystemen laufend ab. Allgemein ist ein Trend, weg von Desktop-Anwendungen hin zu zentralisierten Server-Anwendungen, zu beobachten. Diese sind einfacher zu warten und können mittels Webbrowser bedient werden. Desktop-Anwendungen sind auf OSS-Betriebssystemen im Vergleich zu proprietären schwach vertreten. Geht es dabei rein um Office, Kommunikation und andere allgemeine Aufgabenbereiche, sind OSS-Lösungen reichlich verfügbar und für den Einsatz in Unternehmen durchaus geeignet. Anders sieht es jedoch bei stark spezialisierten Gebieten wie z. B. CAD oder Buchhaltung aus. Das spezialisierte Personal ist in solchen Fällen auf bestimmte Software angewiesen, ansonsten würden Mehrkosten durch Produktivitätsverlust entstehen.
Ganz im Sinne einer langfristigen und nachhaltigen Wirtschaftlichkeit muss ein reiner Kostenvergleich zwischen unterschiedlichen Lösungen differenziert betrachtet werden: Inwieweit werden die anfallenden Kosten tatsächlich durch die Einführung von OSS verursacht oder verbergen sich dahinter "angestaute" Wechselkosten in Form eines hausgemachten Lock-In? Das Aufbrechen des Lock-In ist in der Regel relativ teuer, eröffnet den Unternehmen aber neue strategische Möglichkeiten durch den Zugewinn an Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit in der Gestaltung der eigenen IT. Darin liegt der große wirtschaftliche Vorteil von OSS; es wird ermöglicht, faire Preise durch einen freien Wettbewerb von AnbieterInnen zu erzielen.
Verfügbare OSS sollte im Einsatz nicht ausschließlich als Alternative zu proprietärer Software gesehen werden. Ein zeitweiliges Nebeneinander von OSS und proprietärer Software kann Unternehmen mittelfristig größere Vorteile bringen als kurzfristige Kostenvorteile. Dafür ist wichtig, OSS als standardisierte Bausteine für individuelle Lösungen zu erkennen.